2017/12/12

Eine kurze Geschichte der Kohle

Am Beispiels Großbritanniens.

Kohle hat als Energieträger in unseren Tagen nicht den besten Ruf. Das ist verständlich, denn bei der Kohleverbrennung entstehen eine Reihe unerwünschter Dinge, die man eigentlich gar nicht haben möchte. Mittels moderner Filtertechnologie lassen sich etliche dieser Schadstoffe absondern und in einigen Fällen sogar einer nützlichen Verwendung (etwa als Baumaterial) zuführen. Trotz dieser technologischen Fortschritte gilt die Kohle immer noch als problematisch für Mensch und Umwelt.

Infolge dieser Problematik laufen verschiedene Lobbygruppen gegen eine weitere Nutzung der Kohle Sturm und drängen auf einen Ersatz durch andere, in erster Linie regenerative Energieträger.  Inwiefern das gelingen, bleibt abzuwarten und soll hier nicht das Thema sein.

Worum es in diesem Posting geht, ist ein Faktum, das in den gegenwärtigen Diskussionen gerne ausgeblendet, wenn es denn überhaupt zur Kenntnis genommen wird: nämlich der Beitrag der Kohle zu Entstehung moderner Industriegesellschaften.

In Großbritannien entstand erstmals eine Gesellschaft, die ein neues Niveau der Mobilität und der wirtschaftlichen Produktivität erreichte, wie es nie zuvor auf diesem Planeten der Fall gewesen war. Dies lässt sich mit Zahlen untermauern, die im wesentlichen die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und das erste Jahrzehnt des 20. umfassen.

Beginnen wir mit des Ausbau des britischen Schienennetzes. 1825 fuhr dort erstmals eine Eisenbahn.

1825                       41 km
1840                   2411 km
1850                 10655 km
1860                 16790 km
1885                 30358 km
1912                 37740 km

In entsprechendem Maße erhöhte sich die Mobilität von Menschen und Gütern, die in den Jahrhunderten zuvor fast ausschließlich von Pferden geleistet wurde. Reisen wurde bequemer und schneller. Wollte man von London aus seine Tante in Edinburgh besuchen, so war das nun keine once-in-a-lifetime-Geschichte mehr. Die Züge wurden in diesem Zeitraum ausschließlich von Dampflokomotiven angetrieben, deren Dampfkessel mit Kohle befeuert wurden. 

Um ein derart ausgedehntes Schienennetz in die Welt zu setzen, brauchte man Stahl. Und zwar mehr, viel mehr als je zuvor. Hier sind die Produktionszahlen in Kilotonnen (kt), derer ich habhaft werden konnte: 

1870                3667 kt
1880                3916 kt
1890                6177 kt
1900                6154 kt
1910                7946 kt

Natürlich ging ein Teil dieser Produktion auch in den Bau moderner Dampfschiffe, die selbstredend mit Energie aus der Kohle angetrieben wurden. 

So eindrucksvoll diese Zahlen sind, sowenig sind sie überhaupt denkbar ohne die Nutzung eines Mediums, dessen Energiedichte die bis dahin bekannten Brennstoffe deutlich in den Schatten stellte. Man stelle sich vor, die Dampfkessel in den Lokomotiven und Schiffen wären mit Brennholz anstatt mit Kohle betrieben worden. Brennholz hat einen Heizwert von etwa 4 kWh/kg, Steinkohle kommt auf mehr als das Doppelte (8-9 kWh/kg). Mit anderen Worten: Mit der Kohle kam man doppelt so weit wie mit Holz. 

Nun zu den Förderzahlen auf der Insel (in Millionen Tonnen, Mt). 

1860           72 Mt
1870         106 Mt
1880         140 Mt
1890         173 Mt
1900         207 Mt
1910         258 Mt

Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass in den Jahrzehnten vor 1860 die Fördermengen deutlich geringer waren. Das legt zumindest ein Vergleich mit dem Kohleabbau in Deutschland nahe. Um das Jahr 1910 wurde das Maximum der Kohleförderung erreicht, peak coal wenn man so will. Die geförderte Kohle wurde fast ausschließlich für die Stahlproduktion, für die Mobilität auf der Schiene und den Weltmeeren sowie für Heizzwecke verwendet. 

Inzwischen hatte sich nämlich auch die Bevölkerung Großbritanniens vermehrt, und zwar wie folgt:

1860          28,8 Mio
1870          31,4 Mio
1880          34,7 Mio
1890          37,6 Mio
1900          41,2 Mio
1910          45,1 Mio  

Das Auto spielte in diesem Zeitraum so gut wie keine Rolle. Abgesehen von den sicherlich noch zahlreichen Pferdefuhrwerken war für den Überlandverkehr ausschließlich die Eisenbahn von Bedeutung. Und dafür gab es nur einen einzigen Treibstoff. 

Inzwischen gibt es Dampflokomotiven nur noch im Museumsbetrieb. Mit Kohle heizen auf den britischen Inseln nicht mehr viele Leute. Hauptsächlicher Verbraucher ist die Energiewirtschaft. 2016 wurden etwa 12 Mio. t Kohle verfeuert, davon der allermeiste Teil unter Einsatz von Filtern Verglichen damit wurden die 258 Mio. t des Jahres 1910 ungefiltert in die Luft geblasen. Man fragt sich, wie die Briten das vor hundert Jahren überlebt haben. 






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